Gebäudeabschlusswände

Brandschutzlösungen für den Holzbau

Betrachtet man die Entwicklung der Grundstückspreise und -größen, ist leicht nachvollziehbar, dass die Bebauung der jeweiligen Grundstücke weiter optimiert wird. Hieraus resultiert, dass der Wunsch auf Distanz zum Nachbarn nur bedingt realisierbar ist und die verdichtete Bauweise einen immer höheren Stellenwert einnimmt. Vor diesem Hintergrund greifen für den Ein- und Zweifamilienhausbau Bedingungen, die unter brandschutztechnischer Sicht für Wohngebäude geringer Höhe eine wesentliche Bedeutung haben.

In der Musterbauordnung (MBO) und den daraus resultierenden jeweiligen Landesbauordnungen bzw. Durchführungsverordnungen der Länder sind Anforderungen an Wandkonstruktionen beschrieben. Darunter fallen auch gewisse Abstände zu den Nachbargrundstücken, die beispielhaft nicht unterschritten werden dürfen. Für solche Fälle wird in den meisten Bundesländern für die Gebäudeklasse 1 bis 3 anstelle der hier notwendigen „Brandwand“ (§30 MBO) die Möglichkeit geboten, Gebäudeabschlusswände (§30 Abs. 3, Satz 3) zu erstellen. Dabei müssen diese jeweils von innen nach außen die Feuerwiderstandsfähigkeit der tragenden und aussteifenden Teile des Gebäudes, mindestens jedoch feuerhemmende Bauteile (30 Minuten Feuerwiderstand, F30-B) und von außen nach innen die Feuerwiderstandsfähigkeit feuerbeständiger Bauteile (90 Minuten Feuerwiderstand, F90-B) haben.

Es gibt eine Vielzahl an Möglichkeiten, wie die Umsetzung der Anforderungen, die an diesen Wandtyp (F90-B/F30-B) gestellt werden, realisierbar ist. Allerdings gelten für den Wandtyp der Gebäudeabschlusswand besondere Rahmenbedingungen in Bezug auf den Aufbau, so dass oftmals die typischerweise angewendeten Systeme aus dem Holzbau keine Verwendung finden dürfen (§30, Abs. 7, Satz 3). So gilt etwa für Außenwand-bekleidungen von Gebäudeabschlusswänden, dass diese einschließlich der Dämmstoffe und Unterkonstruktionen nichtbrennbar sein müssen. Aus diesem Grunde ist der Einsatz von Außenwandsystemen (z. B. Wärmedämmverbundsystemen) mit einer Baustoffklassifizierung B1 oder B2 in der Anwendung als Gebäudeabschlusswand nicht zulässig.

Basierend auf den zuvor genannten bauaufsichtlichen Anforderungen gibt es verschiedene Alternativen, um den brandschutztechnischen Verwendbarkeitsnachweis zu führen. Zum einen besteht die Möglichkeit, Konstruktionsvarianten anzuwenden, die über technische Baubestimmungen wie die DIN 4102-4 geregelt sind. Hierbei ist zu beachten, welche Fassung der DIN 4102-4 in den jeweiligen Bundesländern als technische Baubestimmung eingeführt sind (Fassung März 1994 bzw. Mai 2016). In Abhängigkeit der Fassung sind es die Tabelle 54 (DIN 4102-4:1994-05) bzw. die Tabelle 10.9 (DIN 4102-4:2016-05), die die Konstruktionsvarianten definieren. Zum anderen gibt es die Möglichkeit - wenn von technischen Baubestimmungen abgewichen wird - den Nachweis über allgemein bauaufsichtliche Prüfzeugnisse (abP) zu führen.

Die vorgenannten Möglichkeiten des Nachweises zur Verwendung der Bauart:

➤ DIN 4102-4

➤ allgemein bauaufsichtliches Prüfzeugnis

bieten für den Anwender (Hersteller) nur eingeschränkte Lösungsmöglichkeiten, da die vorgenannten Nachweisvarianten (DIN 4102-4 bzw. abP) lediglich das Bauteil im Aufbau mit dem zulässigen statischen Ausnutzungsgrad definieren. War es in der Vergangenheit (bis zum Stichtag 01.04.2014) noch so, dass die abP´s die Möglichkeit boten, auch noch Details und Anschlusssituationen zu regeln, so verhält es sich mittlerweile so, dass Konstruktionen, die über DIN 4202-4 bzw. abP geregelt sind, diese für den Anwender wichtigen Einbausituationen nicht regeln bzw. definieren. Somit ist die Planungs- und Ausführungssicherheit hier nur eingeschränkt gegeben. Um hier diese Lücke wieder zu schließen und Sicherheit zu bieten, werden diese wichtigen Rahmenbedingungen über ALLGEMEINE BAUAUFSICHTLICHE ZULASSUNGEN (AbZ) bzw. ALLGEMEINE BAU-ARTGENEHMIGUNGEN geregelt. Dem Anwender bieten sich damit neue Möglichkeiten, brandschutztechnisch relevante Bauteile zu planen und zu erstellen.

Holzbau und Brandschutzlösungen durch ABZ

In Zusammenarbeit mit dem DIBt (Deutsches Institut für Bautechnik) hat die Fermacell GmbH für feuerwiderstandsfähige Gebäudeabschlusswände eine AbZ erarbeitet, die dem Holzbau vielfältige Varianten für die unterschiedlichen tragenden Gebäudeabschlusswände bietet. Zusätzlich ermöglicht die AbZ eine Vielzahl von Details, die umfangreiche Lösungsvorschläge für wichtige Anschlusssituationen bieten. Die Grundlagen der AbZ sind zahlreiche Brandprüfungen, die über einen Zeitraum von mehr als 40 Jahren mit fermacell® Produkten, insbesondere im Hinblick auf den Holzbau, durchgeführt wurden.

Lösungen für Gebäudeabschlusswände im Holzbau sowie die Konstruktionsvarianten

Die AbZ bietet 18 Konstruktionsvarianten. Hierbei wird in Abhängigkeit der einzelnen Systembestandteile eine Kombination verschiedenster Lösungen realisierbar. Als Variablen fließen hier folgende Parameter ein, aus denen eine hohe Anzahl an Varianten gebildet werden können:

·Bekleidung/Beplankung

·Dämmstoff

·Holzquerschnitt und Ausnutzungsgrad

Die charakteristischen Informationen für das Wandsystem sowie zur Kombination der verschiedenen Materialien können der Tabelle ‚fermacell® Gebäudeabschlusswände tragend, raumabschließend‘ aus der Broschüre ‚fermacell® im Holzbau – Planung und Verarbeitung‘, Kapitel 1.3 Brandschutz, S. 46) entnommen werden. (s. dazu auch Tabelle 1 im Anhang)

Gebäudeabschlusswände mit temporärem Wetterschutz

Unter Berücksichtigung der statischen Anforderungen an Gebäudeabschlusswände treten bereits im Vorfeld der Planungsphase Fragen zur Art der einzusetzenden Baustoffe, wie z. B. Beplankungsmaterial, Dämmstoff etc. auf. Hierbei ist zu beachten, dass insbesondere bei den „klassischen“ Gebäudetrennwänden nicht davon ausgegangen werden kann, dass beide Häuser zeitgleich errichtet werden. Im Fall einer Grenzbebauung in Verbindung mit der Ausführung als Reihen- oder Doppelhaus ist oftmals die Frage nach der Bebauung des angrenzenden Gebäudes bezüglich des zeitlichen Rahmens unklar und abhängig z. B. vom Bebauungsplan oder Verkauf der angrenzenden Gebäudehälfte. Hieraus folgt, dass nach Errichtung des Gebäudes die erstellte Gebäudeabschlusswand über einen längeren Zeitraum der Witterung ausgesetzt ist und es eines adäquaten Wetterschutzes bedarf. In der Praxis jedoch wird diese Tatsache vielfach vernachlässigt. Die Bauteile (Gebäudeabschlusswände) sind häufig über einen längeren Zeitraum hinweg ohne Wetterschutzmaßnahmen der Witterung ausgesetzt. Die Folge sind entsprechende Bauschäden

In diesem Fall bieten sich verschiedene Möglichkeiten für die Ausführung an, ohne den Brandschutz der Gebäudeabschlusswände zu vernachlässigen. Geeignete Lösungen etwa sind Plattenwerkstoffe, die durch ihre Weiterentwicklung mit einfachsten Mitteln auch die Anforderungen eines vorübergehenden Wetterschutzes sicherstellen. Allerdings ist darauf zu achten, dass der Baustoff stets in einem kompletten System verarbeitet werden muss, damit seine volle Leistungsfähigkeit zum Tragen kommt. Ein Baustoff, der über eine entsprechende Eignung verfügt, ist etwa die Außenwandplatte fermacell® Powerpanel HD. Die zementgebundene, glasfaserbewehrte Sandwichplatte kann gemäß ihrer europäisch technischen Bewertung (ETA-13/0609) im Zusammenwirken mit ihrer Bauartgenehmigung (Z-31.1-176) als mittragende oder aussteifende Beplankung im Außenbereich eingesetzt werden. Wegen ihrer guten Brandschutzeigenschaften ist die Platte auch für den Einsatz bei Grenzbebauungen geeignet. (Details zum Einsatz der Powerpanel HD als Beplankung für Gebäudeabschlusswände stehen ebenfalls in Tabelle 1). Die weiteren umfangreichen Einsatzmöglichkeiten in Abhängigkeit der jeweiligen Bekleidungsmaterialien werden im Folgenden u. a. bei den Detaillösungen beschrieben.

Detaillösungen im Holzbau

Bisher war es häufig problematisch, Detaillösungen im Rahmen der brandschutztechnischen Nachweisführung zu erbringen. Die in der Vergangenheit als Nachweis der Bauteilklassifizierung herangezogenen Prüfzeugnisse ermöglichten es im Regelfall, ausschließlich ein definiertes Bauteil nachzuweisen, wobei die Anschlusssituationen immer stark eingeschränkt oder über gesonderte brandschutztechnische Beurteilungen zu erbringen waren. In den Prüfzeugnissen fanden sich bezüglich der Anschlusssituation bzw. zu den angrenzenden Bauteilen oftmals folgende Vermerke:   

„... Die o. a. Klassifizierung nach DIN 4102 gilt nur, wenn auch die die tragenden Wände aussteifenden Bauteile in ihrer aussteifenden Wirkung ebenfalls mindestens der jeweils angegebenen Feuerwiderstandsklasse angehören ...“ oder „... Die o. a. Klassifizierung nach DIN 4102 gilt nur, wenn die Wandkonstruktion an der tragenden Deckenkonstruktion (Massivdecke) befestigt wird. ...“

Da infolge der zuvor genannten Formulierung keine genauere Detailbeschreibung über die Ausführungssituation gegeben war bzw. der Anschluss an flankierende Massivbauteile im Holzbau wenig Sinn ergab, wurde - wenn nicht über gesonderte Stellungnahmen der Nachweis zu erbringen war - vielfach in Absprache mit den entsprechenden Herstellern und Baubehörden eine Detaillösung entwickelt. Dieser Problematik trägt die Gestaltung der AbZ Rechnung, die sich in diesem Zusammenhang vorteilhaft für den Anwender auswirkt, da sich im Rahmen der AbZ insbesondere auch Detaillösungen brandschutztechnisch definieren lassen. Zur Realisierung der verschiedenen, im Holzbau benötigten Anschluss- und Detaillösungen und um vorwiegend auch den Brandschutzanforderungen dieser Details gerecht zu werden, beinhaltet die AbZ einen umfangreichen Detailkatalog. In diesem Zusammenhang wurden über 30 Detaillösungen in Abhängigkeit der entsprechenden Wandtypen und der hiermit verbundenen Anforderungen entwickelt, wobei beispielsweise nachstehend genannte Details Berücksichtigung fanden:

➤ Deckenanschluss (Fugenausbildung; außen)

➤ Deckenanschluss (angrenzendes Bauteil; innen)

➤ Fugenausbildungen (Eckanschluss)

➤ Dachanschluss

➤ Wandelementstoß (vertikal)

➤ versetzte Bauweise

Deckenanschluss (Fugenausbildung; außen)

Die Gestaltung des Deckenanschlussbereiches, insbesondere die Ausführung der Horizontalfugen, stellt in der Praxis oftmals eine Herausforderung dar. Wenn es sich bei dem Bauteil um eine Reihenhaustrennwand handelt, ist hier besonders auf die praxisgerechte Ausführung der Fugenausbildung zu achten (siehe Abbildung 1). In diesem Zusammenhang ist es unumgänglich, bei der Erstellung der zweiten Gebäudehälfte die Fugenausbildung des Deckenanschlussbereiches zu berücksichtigen.

Wandelementstoß (vertikal)

Der Elementstoß bildet auch im vertikalen Bereich ein Thema, welches beim Zusammenfügen von vorgefertigten Wandelementen zu definieren ist. Hierbei sind Lösungen erforderlich, die zudem einen sicheren Wandtafeltransport gewähren. Zudem stellt sich insbesondere bei der äußeren Bekleidung (i. d. R. zweilagige Bekleidung) die Frage der Ausführungsmöglichkeiten. In diesem Zusammenhang sind im Rahmen der AbZ auch verschiedene Alternativen berücksichtigt, die hier als Lösungsvarianten Möglichkeiten aufzeigen.

Dachanschluss

Bei den hier beschriebenen Gebäudeabschlusswänden handelt es sich um Wandsysteme, die für sich definiert dem jeweiligen Gebäude zuzuordnen sind und die entsprechend auch dem Gebäude in ihrer aussteifenden unterstützenden Wirkung über den geforderten Zeitraum die Standsicherheit und den Raumabschluss gewähren müssen. In diesem Zusammenhang bildet die Ausführung des Dachanschlusses der Gebäudeabschlusswände einen sehr sensiblen Bereich, der in der Ausführung oftmals „stiefmütterlich“ umgesetzt wird. Wesentlich ist dabei in jedem Fall, dass die beiden Gebäudehälften in ihrer Art vollkommen autark stehen und in keiner Weise miteinander kraft-/formschlüssig verbunden sind. In der Ausführung ist zu berücksichtigen, dass es im Schadensfall bei der ersten Gebäudehälfte nach 30 Minuten zum Versagen kommen kann. Dabei muss die angrenzende Gebäudehälfte noch ihren Feuerwiderstand von 90 Minuten sicherstellen.

Weiterhin ist gemäß der Ausführung zu berücksichtigen, dass die Gebäudeabschlusswände bis unter die Dachhaut zu führen sind (siehe hierzu auch Abbildung 8: Unterhalb der Dachhaut nicht brennbarer Dämmstoff; Schmelzbereich ³ 1000° C). Hierdurch wird ein gegebenenfalls möglicher Brandübertrag unterhalb der Dacheindeckung (bzw. innerhalb der Dachkonstruktion) in das Nachbargebäude unterbunden. Dies hat auch zur Folge, dass die Dachlattungen der einzelnen Gebäude in keinem Fall über die Gebäudeabschlusswände hinausgeführt werden dürfen, um somit die Gefahr einer Brandweiterleitung über die Dachlattung in das angrenzende Gebäude zu unterbinden.

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