Brandschutzwissen für Ingenieur und Architekt
Die Kernkompetenz der ORCA Software GmbH ist es, ausschreibende Planer durch die Leistungsphasen der HOAI im Planungsprozess zu führen. Nun lanciert ORCA einen neuen, kostenfreien Service für die effiziente Erstellung von Leistungsverzeichnissen: die Serie Whitepaper Technik.
Die inhaltliche Ausrichtung liegt weniger auf den Planungsgrundlagen, sondern auf dem aktuellen Regelwerk, einschließlich der ATV-Normen, und auf den für die korrekte Ausschreibung benötigten Begriffen, Techniken und Hintergründen. Der Brandschutz ist ein für jeden Planer ungeheuer weites Feld, das er deshalb auch nur spezialisierten Ingenieuren überlässt. Ein Basiswissen wird aber von jedem erwartet. Das soll dieses Whitepaper liefern. Nachfolgend gibt Franz Dam einen Überblick über das im Juni 2021 veröffentlichte Whitepaper zum Brandschutz.
Technische Baubestimmungen
Die wichtigsten Brandschutzvorschriften, die Landesbauordnungen, basieren auf der Musterbauordnung (MBO) des Bundes. Die MBO ist aufgrund eines Urteils des EuGH im Jahr 2016 novelliert worden. In der novellierten MBO wird nicht mehr auf die Bauregellisten verwiesen, stattdessen werden in § 85a der MBO sogenannte Technische Baubestimmungen angeführt. Die technischen Regeln für die Planung, Bemessung und Ausführung von Bauwerken und für Bauprodukte wurden dazu in einem einzigen Dokument zusammengeführt, der Muster-Verwaltungsvorschrift Technische Baubestimmungen (MVV TB). Die MVV TB ist für den Brandschutz von zentraler Bedeutung.
Schutzziele
Im Zuge der Brandschutzplanung wird ein Brandschutzkonzept erstellt, in dem die allgemeinen Schutzziele Berücksichtigung erfahren müssen. Diese werden vom Gesetzgeber, von den Versicherungen und von den Gebäudenutzern aufgrund der jeweils spezifischen Interessenlage anders definiert. Das Schutzkonzept selbst ist meist nur den Bauvorschriften gewidmet. Es empfiehlt sich jedoch, die anderen Schutzinteressen nicht außer Acht zu lassen. Während der Gesetzgeber insbesondere Personenschutz, Nachbarschutz und Umweltschutz im Auge hat, sind Versicherer und Nutzer auch an Sachschutz und dem Schutz betrieblicher Vorgänge interessiert. Schutzziele wie Produktionssicherheit und Arbeitsplatzsicherung, Sicherheit von Lagergut, Sicherheit von Daten und Elektronik und ebenso der Schutz von Baudenkmälern und Kunstwerken rücken in den Fokus. Diese Schutzziele können sich durchaus widersprechen.
Brandschutzkonzept und Brandschutznachweis
Aus einem zunächst erarbeiteten Entwurfskonzept entsteht schließlich das Brandschutzkonzept als Brandschutznachweis. Ihm folgt die Brandschutz-Ausführungsplanung sowie die Fachbauleitung Brandschutz. Der laut Brandschutznachweis erforderliche Brandschutz muss während der gesamten Betriebsdauer des Gebäudes gewährleistet sein, weshalb die Wartung der Brandschutzanlagen in der Nutzungsphase des Gebäudes eine zentrale Stellung einnimmt.
Der Brandschutznachweis sollte die Begriffe der Bauordnungen verwenden (z.B. fb für feuerbeständig, und nicht F90A). In den auf die Genehmigungsplanung folgenden Planungsschritten und in der Ausschreibung werden daraufhin aber meist die Klassifizierungen der nationalen (DIN 4102) oder europäischen Norm (DIN EN 13501) angewendet: z.B. F 90-AB oder REI 90.
Baustoffe im Brandschutz
Bei der Klassifizierung von Bauteilen muss nicht nur der Feuerwiderstand, sondern auch das Brandverhalten der im Bauteil befindlichen Bauprodukte berücksichtigt werden.
In den Landesbauordnungen werden die Baustoffe brandschutztechnisch unterschieden nach nb – nichtbrennbar, se – schwerentflammbar, ne – normalentflammbar, sowie leichtentflammbar. Leicht entflammbare Stoffe dürfen für sich alleine nicht verwendet werden.
Nach der nationalen Normung erfolgt die Kennzeichnung des Brandverhaltens der verwendeten Bauprodukte mit einem A, AB oder B (DIN 4102 und MVV TB). In den europäischen Bezeichnungen nach DIN EN 13501 fehlen diese Kriterien jedoch. Um den Anforderungen der Bauaufsicht gerecht werden zu können, behilft man sich in diesem Fall mit Zusatzbezeichnungen.
Feuerwiderstandsklassen von Bauteilen
Zentrale Punkte bei der Feuerwiderstandsfähigkeit von Bauteilen sind die Standsicherheit bei tragenden und aussteifenden Bauteilen und der Widerstand gegen die Brandausbreitung bei raumabschließenden Bauteilen. In den Landesbauordnungen werden Bauteile brandschutztechnisch dreifach unterschieden.
fh – feuerhemmend (etwa F30): es können überall brennbare Baustoffe verwendet werden.
hf – hochfeuerhemmend (etwa F60): tragende und aussteifende Teile müssen meist aus nichtbrennbaren Baustoffen bestehen. Nach MBO können aber hochfeuerhemmende Bauteile auch Konstruktionen sein, deren tragende und aussteifende Teile aus brennbaren Baustoffen (z.B. Holz) bestehen und die allseitig eine brandschutztechnisch wirksame Bekleidung aus nicht brennbaren Baustoffen (Brandschutzbekleidung) und Dämmstoffen besitzen.
fb – feuerbeständig (etwa F90): tragende und aussteifende Teile müssen aus nichtbrennbaren Baustoffen bestehen und raumabschließende Bauteile müssen eine in Bauteilebene durchgehende Schicht aus nichtbrennbaren Baustoffen besitzen.
Die Zuordnung von feuerhemmend, hochfeuerhemmend und feuerbeständig zu F30 / F60 / F90 sowie REI30 /REI60 / REI90 nach der europäischen Normierung ist oftmals schwierig und nicht ohne Tücken. Zusatzbezeichnungen wie nb für nichtbrennbar, oder wesentliche Teile A2-s1,d0 werden angewendet, um die Anforderungen der Bauordnungen zu erfüllen.