Brandschutz bei Hochhäusern
Für den Brandschutz in Hochhäusern veröffentlichte die Fachkommission Bauaufsicht im April 2008 die Muster-Hochhaus-Richtlinie (MHHR). Die wichtigsten Begriffe und Anforderungen der MHHR sowie die brandschutztechnischen Anforderungen an Leitungsanlagen in Hochhäusern gemäß der Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie (MLAR) stellt nachfolgender Beitrag vor.
Nach dem deutschen Baurecht handelt es sich bei Hochhäusern um Gebäude, bei denen der Fußboden mindestens eines Aufenthaltsraumes mehr als 22 m über der festgelegten Geländeoberfläche liegt. Die MHHR enthält besondere Anforderungen und Lösungen für den baulichen und betrieblichen, besonders aber für den anlagentechnischen Brandschutz in Hochhäusern. Wesentliches Schutzziel ist der Personenschutz. Abweichend von der Musterbauordnung (MBO) setzt die MHHR den Löschangriff der Feuerwehr aus dem Inneren des Gebäudes voraus und stellt nicht auf einen Außenangriff ab, auch nicht für den Bereich unter 22 m. Die MHHR ermöglicht unter der Voraussetzung einer feuerbeständigen Tragkonstruktion mit geschossweiser Abschottung und zusätzlicher Gebäudesicherheitstechnik einen flexiblen Ausbau innerhalb der Geschossebenen und entspricht so den Nutzerinteressen.
Anwendungsbereich
Die MHHR regelt besondere Anforderungen und Erleichterungen im Sinne von § 51 Abs. 1 (Sonderbauten) der Musterbauordnung (MBO) für den Bau und Betrieb von Hochhäusern (§ 2 Abs. 4 Nr. 1 MBO). Zur Sicherstellung der Schutzziele des Brandschutzes ist bei Sonderbauten grundsätzlich die Erstellung eines spezifischen Brandschutzkonzeptes erforderlich.
Tragende und aussteifende Bauteile
Gemäß Abschnitt 3.1.1 der Muster-Hochhaus-Richtlinie müssen tragende und aussteifende Bauteile feuerbeständig sein und aus nichtbrennbaren Baustoffen bestehen. Für Gebäude mit mehr als 60 m Höhe muss nach Abschnitt 3.1.2 die Feuerwiderstandsfähigkeit tragender und aussteifender Bauteile 120 Minuten betragen (F120-A).
Raumabschließende Bauteile
Gemäß Abschnitt 3.2.1 der MHHR müssen raumabschließende Bauteile aus nichtbrennbaren Baustoffen bestehen. Folgende raumabschließende Bauteile müssen nach Abschnitt 3.2.3 mit der Feuerwiderstandsfähigkeit der tragenden Bauteile ausgeführt werden:
1. Geschossdecken,
2. Wände von notwendigen Treppenräumen und deren Vorräumen,
3. Wände der Fahrschächte von Feuerwehraufzügen und deren Vorräumen.
Auf Nr. 2 und 3 ist § 35 (Notwendige Treppenräume, Ausgänge) Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 und Satz 2 der Musterbauordnung (MBO) entsprechend anzuwenden. Nach Abschnitt 3.2.4 müssen folgende Bauteile raumabschließend feuerbeständig sein:
1. Brandwände,
2. Wände von Installationsschächten,
3. Wände von Fahrschächten und deren Vorräumen,
4. Trennwände von Räumen mit erhöhter Brandgefahr,
5. Trennwände zwischen Aufenthaltsräumen und anders genutzten Räumen im Keller,
6. Wände und Brüstungen offener Gänge.
Gemäß Abschnitt 3.2.5 müssen folgende Bauteile raumabschließend feuerhemmend sein:
1. Trennwände zwischen Nutzungseinheiten,
2. Trennwände zwischen Nutzungseinheiten und anders genutzten Räumen,
3. Wände notwendiger Flure,
4. durchgehende Systemböden,
5. durchgehende Unterdecken.
Brandlasten und Brandklassifizierung
Der Begriff Brandlast wird immer im Zusammenhang mit dem Brandschutz von Gebäuden verwendet. Unter der Brandlast eines Gegenstandes versteht man die Energie, die bei dessen Verbrennung frei wird und damit bei Schutzmaßnahmen für einen möglichen Gebäudebrand zu berücksichtigen ist. Die Brandlast entsteht durch alle brennbaren Stoffe, die in ein Gebäude eingebracht werden. Sie ist von der Menge und vom Heizwert der Stoffe abhängig. Die Brandlast wird in kWh/m² angegeben und ist das auf eine bestimmte Grundfläche – z.B. eine Brandabschnittsfläche – bezogene Wärmepotential aller vorhandenen brennbaren Stoffe. Eine Liste mit „Brandlasten für verschiedene Nutzungen“ steht bspw. auf bauforumstahl.de zur Verfügung. Hohe Brandlasten entstehen z.B. schon durch eine ungünstige Auswahl von Baustoffen. Deshalb sollte bereits in der Planungsphase des Gebäudes auf eine Reduzierung unnötiger Brandlasten geachtet werden. Nichtbrennbare Materialien mit der Baustoffklasse A sollten immer bevorzugt werden. In Deutschland ist momentan die Klassifizierung des Brandverhaltens von Baustoffen sowohl nach DIN 4102-1 als auch nach DIN EN 13501-1 möglich. Nur bei Bauprodukten und Bauarten, die der CE-Kennzeichnung unterliegen, ist eine Brandklassifizierung nach der DIN EN 13501-1 zwingend erforderlich.
Rettungswege
Eine Rettung über Rettungsgeräte der Feuerwehr ist bei der Höhe von Hochhäusern nicht mehr möglich. Deshalb müssen gemäß Abschnitt 4.1.1 der MHHR für Nutzungseinheiten und für Geschosse ohne Aufenthaltsräume in jedem Geschoss mindestens zwei voneinander unabhängige bauliche Rettungswege ins Freie vorhanden sein, die zu öffentlichen Verkehrsflächen führen. Beide Rettungswege dürfen innerhalb des Geschosses über denselben notwendigen Flur führen. Die Rettungswege aus den oberirdischen Geschossen und den Kellergeschossen sind getrennt ins Freie zu führen. In Hochhäusern mit nicht mehr als 60 m Höhe genügt nach Abschnitt 4.2.1 an Stelle von zwei notwendigen Treppenräumen ein Sicherheitstreppenraum. Entsprechend Abschnitt 4.2.2 müssen in Hochhäusern mit mehr als 60 m Höhe alle notwendigen Treppenräume als Sicherheitstreppenräume ausgebildet sein. Sicherheitstreppenräume sind ein wichtiger Bestandteil bei Flucht- und Rettungswegen in Hochhäusern. Zur Freihaltung von Rauch werden in Sicherheitstreppenräumen in der Regel Druckbelüftungsanlagen (RDA) installiert. Nach Abschnitt 4.3.1 der MHHR müssen Ausgänge von Nutzungseinheiten auf notwendige Flure oder ins Freie führen. Von jeder Stelle eines Aufenthaltsraumes sowie eines Kellergeschosses muss gemäß Abschnitt 4.3.2 mindestens ein Ausgang in einen notwendigen Treppenraum, einen Vorraum eines Sicherheitstreppenraumes oder ins Freie in höchstens 35 m Entfernung erreichbar sein. Entsprechend Abschnitt 4.3.3 der MHHR dürfen notwendige Flure mit nur einer Fluchtrichtung nicht länger als 15 m sein. Sie müssen zum Vorraum eines Sicherheitstreppenraums, zu einem notwendigen Flur mit zwei Fluchtrichtungen oder zu einem offenen Gang führen.
Feuerwehraufzüge
Um einen Löschangriff in angemessener Zeit mit voll einsetzbarem Personal durchzuführen zu können, benötigt die Feuerwehr in Hochhäusern Feuerwehraufzüge. Diese müssen in eigenen feuerbeständigen Fahrschächten verlaufen. Vor den Fahrschächten müssen Vorräume angeordnet werden, die Schutz vor dem Eindringen von Feuer und Rauch bieten. Nach Abschnitt 6.1.1.1 der MHHR müssen Hochhäuser Feuerwehraufzüge mit Haltestellen in jedem Geschoss haben.
Leitungsanlagen in Rettungswegen
Bei der Verlegung von Leitungsanlagen innerhalb der Rettungswege von Hochhäusern gilt der Abschnitt 3 der Muster-Leitungsanlagen-Richtlinie (MLAR), Fassung November 2005. Im Abschnitt 3 der MLAR sind die grundlegenden Voraussetzungen für sichere Flucht- und Rettungswege festgelegt. Hiernach dürfen brennbare Leitungen, z.B. Kunststoffrohre, in Flucht- und Rettungswegen nicht freiverlegt werden. In der Regel ist dann eine brandschutztechnische Kapselung durch die Verlegung innerhalb von Unterdecken, Bodenkanälen oder Installationsschächten mit einer Feuerwiderstandsdauer von 30 Minuten (F30) erforderlich. Nichtbrennbare Leitungen, bspw. gusseiserne Abflussrohrsysteme, dürfen in Flucht- und Rettungswegen frei verlegt werden. Bei nichtbrennbaren gusseisernen Abflussrohrsystemen müssen keine Brandlasten berücksichtigt werden. Beim Werkstoff Polyethylen (PE) entsteht hingegen pro kg eine Brandlast von 12 kWh.
Installationsschächte
Gemäß Abschnitt 7.2.1 der MHHR müssen Leitungen, die durch mehrere Geschosse führen, in Installationsschächten angeordnet werden. Diese Anforderung gilt nicht für wasserführende Leitungen aus nichtbrennbaren Baustoffen. Wie im Abschnitt 3.2.4 der MHHR aufgeführt, müssen Wände von Installationsschächten raumabschließend feuerbeständig sein. Installationsschächte in Hochhäusern müssen nach Abschnitt 7.2.2 entraucht werden können. Die Abschottungen von Leitungen müssen grundsätzlich den Anforderungen an die Feuerwiderstandsdauer des Installationsschachtes entsprechen.
Abschottungen
Für Hochhäuser gelten die Anforderungen der Leitungsanlagen-Richtlinien der Länder. Die Abschottungen von Leitungsanlagen müssen entsprechend der geforderten Feuerwiderstandsdauer der Bauteile (gemäß dem projektspezifischen Brandschutzkonzept) ausgeführt werden. Nach der MLAR, Fassung Nov. 2005 sind z.B. Abschottungen von Abwasserleitungen entweder nach den entsprechenden Verwendbarkeitsnachweisen (Abschnitt 4.1) oder nach den Erleichterungen (Abschnitte 4.2 und 4.3) auszuführen. Seit dem Grenfell-Tower-Brand in London stehen der Brandschutz in Hochhäusern und die Regelwerke wieder im Fokus. Zur Sicherstellung der Schutzziele des Brandschutzes ist bei Hochhäusern grundsätzlich die Erstellung eines spezifischen Brandschutzkonzeptes erforderlich. Das ist die Basis für eine brandschutztechnisch einwandfreie Ausführung des Hochhauses einschließlich Rettungswege und Leitungsanlagen. Zur Minimierung der Brandlasten in Hochhäusern sind grundsätzlich Leitungen aus nichtbrennbaren Werkstoffen der Brandklasse A empfehlenswert. Nichtbrennbare Leitungen, wie z.B. gusseiserne Abflussrohrsysteme, führen zu keiner Brandlast oder Brandweiterleitung und dürfen in Flucht- und Rettungswegen frei verlegt werden. Weitere Vorteile von gusseisernen Abflussrohrsystemen im Bereich von Hochhäusern sind die hohe Druckbeständigkeit und das hervorragende Ausdehnungsverhalten.