Geklebte Brandschutzfassade aus Echt-Antikglasmosaik
Im Zuge einer Generalsanierung mit einem Teilneubau ist am Nürnberger Hauptmarkt das „Haus der Wirtschaft“ entstanden. Blickfang des neuen Atriums ist ein 55 m2 großes „Glasfenster“, das nicht nur restauriert, sondern auch brandschutztechnisch ertüchtigt wurde.
Den europaweit ausgeschriebenen Wettbewerb gewann das Berliner Architekturbüro Behles & Jochimsen. Ihm gelang es nach Ansicht des Preisgerichts besonders überzeugend, offene Strukturen und eine transparente Gestaltung mit der historischen Architektonik der Stadt Nürnberg zu verbinden. Die denkmalgeschützten Häuser wurden erhalten; die nicht als Einzeldenkmal geführten Gebäude hingegen zugunsten eines Neubaus abgebrochen. Der Zugang zum Hof wurde durch ein Verbindungsbauteil geschlossen und der so entstandene Innenhof durch ein Glasdach in ein Atrium transformiert.
Eine Einstülpung in der Fassade signalisiert den vorverlegten Haupteingang. Von hier aus gelangen Besucher in das lichte Atrium, das als Empfangs- und Wartebereich konzipiert ist. Das Foyer kann aber auch für Veranstaltungen und Ausstellungen genutzt werden; nicht zuletzt fungiert es als Verbindung zwischen Haupteingang und historischem Saalbau.
Brandschutz trifft künstlerischen Anspruch
Der von außen eher schlichte Saalbau aus den 1950er-Jahren überrascht nicht nur mit einem ausladend geschwungenen Treppenlauf zum großen Saal im ersten Obergeschoss, sondern auch mit einem großformatigen Mosaik aus mundgeblasenem Echt-Antikglas, das sich im Treppenhaus vom Erdgeschoss nach oben erstreckt. Fast sechs Meter breit und neuneinhalb Meter hoch ist das „Fenster“, das der Nürnberger Glaskünstler Dr. Gottfried Frenzel in den 1950er-Jahren angefertigt hatte. Doch mittlerweile hatte sich der Epoxidharzkleber, mit dem das Echt-Antikglas seinerzeit auf Trägerplatten auflaminert worden war, verfärbt und ein Großteil der Trägerplatten war gebrochen. Im Sinne des Denkmalschutzes galt es, diese künstlerische Verglasung zu restaurieren. Doch mit Restaurieren allein war es nicht getan: Was einst eine Außenfassade war, wurde durch die Umgestaltung des Gebäudes zu einer innen liegenden Brandschutzfassade, die künftig die Anforderung F90 erfüllen musste.
Es forderte die Expertise vieler Fachleute, das Glasfenster als Teil dieser Fassade als F30-Brandschutzkonstruktion auszubilden: Denkmalamt und Bauaufsichtsbehörde, Architekten und Künstlervertreter suchten den Konsens. Dass der Sohn des Künstlers in das Projekt mit eingebunden werden konnte, war eine glückliche Fügung. Benno Hinkes hat entscheidend dazu beigetragen, eine gemeinsame Linie zu entwickeln für den Umgang mit einem Kunstwerk, das nunmehr zwei Schauseiten hat, wo zuvor nur eine war. Noch in der Planungsphase war man davon ausgegangen, dass eine Brandschutzverglasung nicht geklebt werden könne. Dank des Engagements der beteiligten Firmen – allen voran die Derix Glasstudios, Taunusstein, die mit der Restaurierung beauftragt waren, aber auch Schott Technical Glass Solutions und nicht zuletzt Schüco Stahlsysteme Jansen – gelang es, eine Zustimmung im Einzelfall zu erwirken, die die denkmalpflegerischen Belange berücksichtigt und die brandschutztechnischen Notwendigkeiten gewährleistet.
Schrittweise zum BrandschutzglasMosaik
Von den vielen Versuchen, das 5000-teilige Glasmosaik von den Trägerscheiben zu lösen, erwies sich schließlich das thermische Verfahren, behutsames Erhitzen, als erfolgreich. In aufwendiger Handarbeit wurde das Echt-Antikglas Stück für Stück von den Trägerplatten gelöst, gereinigt und auf eine Brandschutzverglasung aus Verbundsicherheitsglas auflaminiert. Dabei ging man feldweise vor; die Größe der einzelnen Felder variiert von 85 x 203 bis 109 x 237 cm. Die montagefertig eingeglasten Scheiben wurden anschließend in eine Pfosten-Riegelfassade aus dem Stahlprofilsystem „VISS Fire“ montiert. Erdgeschossig verbindet eine zweiflügelige, in das Glasmosaik integrierte Drehtür das neue Atrium mit dem historischen Saalbau. In den darüber liegenden Bereichen, in denen Brücken als Teil der umlaufenden Flure der Verglasung vorgelagert sind, sorgen LEDs für eine gleichmäßige Ausleuchtung, indem sie die Schatten der Brücken ausblenden.
Ganz gleich, von welcher Stelle aus man es betrachtet: Das rund 55 m2 große Glasmosaik ist ein Blickfang, dem sich niemand entziehen kann. Dass das Echt-Antikglas im Verbundsicherheitsglas zum Atrium hin angeordnet ist, und nicht, wie zuvor, in einem Zweischeiben-Isolierglas „verpackt“, ist ein zusätzlicher Gewinn.