Energie- und Brandschutzkonzept für Wohnhaus

Hybridbau mit nichttragenden vorgefertigten Holzrahmenelementen

Der Neubau eines in Hybridbauweise errichteten mehrgeschossigen Wohnhauses in München basiert wesentlich auf einer nichttragenden Fassadenkonstruktion aus vorgefertigten Holzbauelementen. Die Fassade wurde mit Gipsfaserplatten feuerhemmend in der Feuerwiderstandsklasse F30 ausgeführt.

Auf dem Gelände der ehemaligen Funkkaserne in München entstehen derzeit rund 1.600 neue Wohnungen. Ziel der Stadtplaner ist, in dem neuen Wohnquartier qualitativ hochwertigen Wohnraum mit sozialer Mischung zu schaffen. Das Architektenbüro Vallentin + Reichmann Architekten realisiert hier das für eine Baugemeinschaft konzipierte Projekt „Stadtgestalten – Wohnhaus im neuen Stadtquartier Domagkpark“. Das geplante Stadthaus umfasst insgesamt 14 Wohnungen in Größen von 70 bis 115 m².

Vorteil Hybridbauweise

Das Projekt der Baugemeinschaft „Stadtgestalten-Domagkpark“ wird in sogenannter Hybridbauweise im Passivhausstandard erstellt. Diese Mischbauweise setzt sich besonders beim mehrgeschossigen Bauen mehr und mehr durch und nutzt dabei gezielt die Vorzüge von Massiv- und Holzbauweise: So bietet das lastabtragende Stahlbetonskelett speziell beim mehrgeschossigen Bauen Vorteile bei Statik und Schallschutz. Dafür warten die Holzrahmenwände, die leicht vorgefertigt werden können, mit sehr guten energetischen Eigenschaften auf. Bei gleichen energetischen Kennwerten sind sie schlanker als massive Wandbauteile. Beplankungen z.B. mit Fermacell-Gipsfaserplatten sorgen für hohe Stabilität und können gleichzeitig die Anforderungen des Brandschutzes erfüllen. Die Vorfertigung der Holzbauelemente unter idealen Bedingungen in der Werkstatt, mit anschließender schneller Montage auf der Baustelle, verkürzt im Vergleich zu Massivbaustoffen die Bauzeiten vor Ort merklich, da lange Trocknungszeiten entfallen.

Entsprechend dem angestrebten Passivhaus-Standard ist der Baukörper als kompakter Kubus mit großen symmetrischen Fensterflächen auf der Südseite und frei angeordneten Fensteröffnungen bei den anderen Fassaden ausgebildet. Fundamente, Bodenplatte, Keller, Treppen sowie alle tragenden Wände und Stützen sind aus Stahlbeton, sämtliche nichttragenden Wände in den Wohnungen werden dagegen in Trockenbauweise erstellt. Die Fassade ist als nichttragende, hochwärmedämmende Holztafelkonstruktion mit passivhaustauglichen Fenstern (u.a. 3-fach-Wärmeschutzverglasung) konzipiert. Die Konstruktion stellt ein maximales Maß an Flexibilität für die innere Grundrisseinteilung inklusive der Fensteröffnungen sicher. Dies garantiert den Bauherren einen hohen Gestaltungsspielraum und erleichtert auch eventuelle spätere Umplanungen. Gleichzeitig bietet sie eindeutige Vorteile in Bezug auf das vorbeugende Brandschutzkonzept.

Individuelles Brandschutzkonzept

Mit fünf Stockwerken entspricht der Bau der Gebäudeklasse 4. Darunter fallen gemäß MBO Gebäude mit einer Höhe bis zu <13 m (für die obere Geschossdecke) und Nutzungseinheiten mit jeweils nicht mehr als 400 m2. In dieser Gebäudeklasse sind tragende Holzkonstruktionen zulässig, sofern dabei ausschließlich nichtbrennbare Dämmstoffe verwendet werden und tragende, aussteifende und raum­abschließende Bauteile hochfeuerhemmend ausgeführt werden. „Hochfeuerhemmend“ heißt, dass die Bandschutzbekleidung sowohl einen Feuerwiderstand F60, als auch eine Kapselung von 60 Minuten aufweist und entsprechend K260 nach DIN EN 13501-2 klassifiziert ist.

Da es sich bei dem Projekt „Stadtgestalten – Domagkpark“ jedoch um eine nichttragende vorgehängte Fassadenkonstruktion in Holztafelbauweise bzw. um nichttragende Innenwände in Trockenbauweise handelt, ist es laut Brandschutzgutachten der IBB GmbH – Ingenieurbüro für Brandschutz von Bauarten ausreichend, wenn die Konstruktionen der Feuerwiderstandsklasse F30 entsprechen (konstruktiver Brandschutz). Abgesehen von der beleuchteten Beschilderung der Fluchtwege konnte auf weiteren anlagentechnischen Brandschutz verzichtet werden. Für die brandschutztechnisch wirksame Bekleidung der Fassadenkonstruktion kamen Systemaufbauten von Fermacell zum Einsatz. Gipsfaserplatten von Fermacell gewährleisten je nach Konstruktion Brandschutz bis zur Feuerschutzklasse F120 und sind gemäß der EN 13501 als nichtbrennbarer Baustoff der Bau­stoffklasse A2 klassifiziert. Zudem erfüllt Fermacell alle Anforderungen, die an moderne Wände gestellt werden. Die Platten bieten mit ihrer homogenen Struktur auf Grund ihrer Faserarmierung (recycelte Papierfasern) eine hohe mechanische Beanspruchbarkeit und stellen mit Material- und Verarbeitungseigenschaften, die dem Holz sehr ähnlich sind, eine gute Ergänzung zur Holzunterkon­struktion dar.

Wandkonstruktionen

Entsprechend den Vorgaben des individuellen Brandschutzkonzeptes wurden die nichttragenden Fassadenbauteile in der Feuerwiderstandsklasse F30 ausgeführt (nach DIN 4102-2:1977-09). Wegen des Passivhaus-Konzepts war zusätzlich die Luftdichtheit der Gebäudehülle von großer Bedeutung. Raumseitig wurde die Unterkon­struktion der Holztafel-Fassaden­elemente aus BSH, b x d = 60 mm x 280 mm mit einer dampfdiffusionshemmenden Schicht aus einer einfachen Lage mit „Fermacell Vapor“ in 15 mm Dicke beplankt (sd-Wert von 3,1 m). Bei diesen speziellen Gipsfaserplatten wird durch eine auf der Plattenrückseite aufgebrachte Kaschierung die Wasserdampfdurchlässigkeit soweit reduziert, dass zusätzliche dampfbremsende Schichten in Außenwandkonstruktionen entfallen können. Der raumseitige Wandabschluss erfolgte mit einer doppelten Lage Gipsfaserplatten in 12,5 mm Dicke, die auf einem Metallständerwerk aus CW-/UW-Profilen (50 mm) befestigt wurden. Zur Dämmung wurde in der Installationsebene Mineralfaser der Baustoffklasse A vollflächig eingebracht. Nach außen wurden die Gefache der Holzrippen vollflächig mit Zellulosefasern der Baustoffklasse B2 gedämmt und anschließend mit einer einfachen Lage von 15 mm dicken Gipsfaserplatten geschlossen, die wegen der geforderten Winddichtigkeit und dem Schlagregenschutz zusätzlich mit einer diffusionsoffenen Fassadenschutzbahn versehen wurden. Eine hinterlüftete Fassade aus Faserzementplatten auf Holzlattung sorgt für den finalen Abschluss.

Die Zellulosedämmung wurde vor Ort auf der Baustelle in die Gefache eingeblasen. Dieses hat die Bauleitung erst nach der Sicherstellung des Witterungsschutzes des Gebäudes angeordnet. So wurde ein Durchfeuchten der Dämmung im Gefach grundsätzlich verhindert und eventuell angefallenes Wasser konnte durch die diffusionsoffenen Gipsfaserplatten schnell nach außen trocknen.

Die nichttragenden Wohnungsinnenwände wurden mit einer beidseitig mit 2 x 12,5 mm dicken Fermacell-Gipsfaserplatten beplankten Metallunterkonstruktion (CW/UW-Profile 50 mm) und 40 mm Mineralwolldämmung der Baustoffklasse A im Gefach ausgeführt. Um die Weiterleitung von Feuer und Rauch weitestgehend auszuschließen, erfolgte die Befestigung der nichttragenden Fassadenkon­struktion an den tragenden, aussteifenden Massivdecken und -wänden mit brandschutztechnisch geeigneten und entsprechend zugelassenen Verbindungsmitteln, die zusätzlich gegen eine unmittelbare Brandbeanspruchung geschützt wurden.

Anschlussfugen zwischen den nichttragenden, raumabschließenden Außenwänden der Fassadenkonstruktion sowie zu den tragenden, aussteifenden Massivdecken und -wänden wurden vollflächig mit Mineralfaser (Bau­stoffklasse A, Schmelzpunkt >1000 °C, Rohdichte >40 kg/m³) verschlossen.

Fazit

Mit der Realisierung des Baugemeinschaft-Projektes „Stadtgestalten Domagkpark“ zeigt das Münchener Architekturbüro Vallentin + Reichmann, dass es auch im mehrgeschossigen Wohnungsbau möglich ist, nachhaltig, zeitgemäß und zukunftsorientiert zu bauen und gleichzeitig unterschiedliche Wohnvorstellungen von Bauherren zu berücksichtigen. Die Hybridbauweise sorgte dabei für Erleichterungen beim vorbeugenden Brandschutz. Statt hochfeuerhemmend, wie für die Holzbauweise in der Gebäudeklasse 4 gefordert, war laut Brandschutzgutachten die Ausführung der vorgehängten nichttragenden Fassade sowie der nicht tragenden Innenwände in der Feuerwiderstandsklasse F30 ausreichend. Grundsätzlich müssen bei der Passiv­hausbauweise die Details sehr sorgfältig erarbeitet werden, um eine wärmebrückenfreie Konstruktion und das Qualitätskriterium der Luftdichtigkeit zu gewährleisten. Die sorgfältige Detailarbeit zur Luftdichtigkeit kam auch dem Brandschutz zugute. So wurde an Decken- und Fensteranschlüssen nicht nur auf luftdichtes Anschließen geachtet, sondern auch zusätzliche abschottende Gipsfaserplatten vorgesehen, um das „Einbrennen“ in die gedämmten Hohlräume bzw. in die darüber liegenden Geschosse zu verhindern.

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