Rauchschutz im Tower
Der „Grosspeter Tower“ ist mit 78 m Höhe, 24 Geschossen inklusive Tiefgaragen und allein 21 Büroetagen eines der markantesten Gebäude in der Silhouette Basels. Durch die gemischte Nutzung mit einer Tiefgarage über zwei Ebenen, einem Business-Hotel im EG und Büroflächen musste der Neubau höchsten feuerschutztechnischen Sicherheitsstandards entsprechen. In enger Zusammenarbeit zwischen Hersteller und ausführenden Fachunternehmen wurde u.a. eine komplexe Rauchschutz-Druckanlage von Systemair installiert.
In den vergangenen Monaten sind mehrere Hochhäuser wie „Hannibal II“ in Dortmund, das „Lohring-Haus“ in Bochum oder ein 11-Geschosser in Wuppertal aufgrund von Brandschutzmängeln extrem kurzfristig leergezogen worden – die Presse berichtete teilweise ausführlich. In Dortmund gab es keine ausreichende Trennung zwischen Parkdeck und Wohnungen, in Bochum entsprachen die raumabschließenden Bauteile zu den Brandabschnitten bzw. Rettungswegen nicht der notwendigen Feuerwiderstandsklasse, und in Wuppertal führten notwendige Rettungswege lediglich über offene Balkone an der Fassade.
Entrauchungskonzept
Wie zeitgemäßer Brandschutz hingegen aussehen kann, wenn er schon zu Beginn eines Großprojektes als (auch architektonisch) zentrales Anforderungspaket in die Entwurfsplanung eingegliedert wird, zeigt aktuell der „Grosspeter Tower“ in Basel. Dort hat die für die Gebäudetechnik verantwortliche Gruner Gruneko AG (Basel) ein von dem TGA-Spezialisten Meier-Kopp AG (Reinach) und Hersteller Systemair (CH: Buchs / ZH / D: Boxberg) gemeinsam entwickeltes Entrauchungskonzept realisiert. Eine Rauchschutz-Druckanlage (RDA) hält dabei über alle 21 Büroetagen und das EG hinweg sowohl das Sicherheitstreppenhaus als auch die zugehörigen Schleusen / Vorräume der insgesamt drei Liftanlagen – eine davon nur für die Feuerwehr – zuverlässig frei von Rauch und Brandgasen.
Im Detail umfasst die RDA des „Grosspeter Tower“, ohne die feuerschutztechnisch getrennten Tiefgaragen-Ebenen in den Untergeschossen mit eigener RDA, fünf verschiedene Anlagenbereiche: das Sicherheitstreppenhaus, den Feuerwehrlift, die beiden Personenlifte und eine mechanische Abströmung über Dach. Im Brandfall werden das Sicherheitstreppenhaus, die Schleusen zu den Nutzerbereichen / Vorräume der Liftanlagen auf den Etagen über Axialventilatoren Typ „AXC 710“ mit bis zu 34.500 m³/h Luftleistung aktiv im Überdruck gehalten. Die benötigte Zuluft wird über einen kompakten Zuluft-Schacht ins Treppenhaus mit Auslässen in jeder zweiten Etage eingebracht sowie für die Aufzugsvorräume über drei vorhandene Aufzugsschächte (Feuerwehrlift und beide Personenlifte). Hierfür wurden Ventilatoren der Typen „AXC 630“ (bis 30.000 m³/h Luftleistung) installiert. Eine Druckkaskade definiert den Luftstrom vom Treppenhaus über den Aufzugsvorraum in die Nutzungseinheit. Eine Rückströmung vom Aufzugsvorraum ins Treppenhaus wird hiermit ausgeschlossen.
Die Abströmung erfolgt über einen Entrauchungsschacht im Nutzerbereich. Der Druckverlust des Abluftschachts wird mit einem Axialventilator Typ „AXC 650“ über Dach aktiv kompensiert.
Menge der Einflussgrößen
„Die besonderen Herausforderungen in der Konzeption und Auslegung dieser RDA entstanden zum einen über die Gebäudehöhe an sich“, so Dipl.-Ing. Reiner Kelch, System- und Applikationsmanager bei Systemair, „sowie durch die Vielzahl an Einflussgrößen wie die aufaddierten Leckagen der Gebäudehülle, Undichtheiten der Lifttüren mit direkter Wechselwirkung zu den jeweiligen Geschossen und die im Brandfall im EG durchweg geöffnete Eingangstür. Diese Unschärfe in den Berechnungen der Anlage ist durch Sicherheitszuschläge zu kompensieren.“ Gerade hierbei kommt es auf ingenieurstechnische Erfahrung an, um die Balance zwischen einer wirtschaftlichen, aber auch normgerechten RDA zu finden. Zu hohe Sicherheitsaufschläge können die Kosten schnell um bis zu 30 % erhöhen. Zu geringe Aufschläge gefährden jedoch eventuell die Abnahme der Anlage.
Zudem nimmt die Bemessung des Abluftschachtes direkten Einfluss auf die profitabel nutzbare Fläche des Gebäudes, denn schließlich führt dieser über alle Etagen. Bei einer natürlichen Abströmung (ohne Abluftventilator) darf der Schacht einen maximalen Druckverlust von ca. 10 Pa über die gesamte Höhe nicht überschreiten. Somit werden mehrere Quadratmeter Schachtquerschnitt benötigt, um die Druckverlustwerte einzuhalten – in der nachverdichteten Konzeption der Etagen mit entsprechend hohen Anforderungen an eine optimale Raumausnutzung schlichtweg nicht akzeptabel. Erschwert wurde die Auslegung der RDA darüber hinaus durch die variablen Ausbaumöglichkeiten der (teilbaren) Bürogeschosse. All das macht einen Abluftventilator zur Druckverlustkompensation des Schachtes unabdingbar.
Umso wichtiger waren also beim „Grosspeter Tower“ die Praxiserfahrungen eines breit aufgestellten Herstellers wie Systemair. So konnten sämtliche Funktionalitäten der RDA inklusive Be- und Entlüftung sowie übergreifender Steuerung aus einer Hand abgedeckt und Lösungen entwickelt werden, die sowohl die technische Machbarkeit der RDA als auch die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen des Investors mit den geforderten Schutzzielen in Einklang brachten.
Luftschleier
Ein typisches Beispiel dafür ist, neben der überaus komplexen Steuerung, eine spezielle Evakuierungssituation im Erdgeschoss. Während auf allen Bürogeschossen im Brandfall von einem identischen Szenario mit annähernd gleichen Druckverhältnissen und Wechselwirkungen (Überdruck in der Schleuse / im Vorraum sowie im Sicherheitstreppenhaus, Luftnachströmung über die Lifte, Abströmung über die Nutzerbereiche) ausgegangen werden konnte, waren im Basement gravierend unterschiedliche Druckverhältnisse aufgrund der offenen Architektur, des besonders weit öffnenden „Haupteingangs Büro“ und des von der Empfangshalle abzweigenden Schleusenbereichs mit seitlichem Nebenausgang abzufangen.
Reiner Kelch: „Im Brandfall gehen wir davon aus, dass im EG die Eingangstür für die Evakuierung der Nutzer und den Löschangriff der Feuerwehr geöffnet ist. Konkret sprechen wir dann also von einer Leckage einer 2 m²-Fläche in der Größenordnung von 30.000 m³/h, die zur Aufrechterhaltung des Überdrucks im Sicherheitstreppenhaus ausgeglichen werden muss.“ Das könnte man z.B. über einen nur dafür installierten und vergleichsweise zu groß dimensionierten Zulüfter inklusive Notstromversorgung lösen. Um die Investitionskosten jedoch möglichst gering zu halten, setzte Systemair in diesem Öffnungsbereich stattdessen einen speziellen Türluftschleier vom Typ „IHS 50-4 (B)“ ein, der ein Entweichen der unter Überdruck stehenden Luftsäule des Treppenhauses in die Atmosphäre verhindert. Die Kostenersparnis liegt im fünfstelligen Euro-Bereich – und der Türluftschleier kann aufgrund seiner speziellen, von Systemair entwickelten und im eigenen Haus umgesetzten Konstruktion dennoch unter allen Betriebszuständen mindestens 10 bis 15 Pa Differenzdruck im Zugang zum Erdgeschoss dauerhaft aufrechterhalten.
Vom 3. Untergeschoss über Dach Produziert wird die für die Rauchfreihaltung des Basler Büroturms notwendige Luftleistung im dritten UG des „Grosspeter Towers“. Abgesichert durch eine eigene Notstromversorgung sind dort die insgesamt vier verschiedenen Axialventilatoren zur Versorgung des Sicherheitstreppenhauses und der Zentrale sowie der Feuerwehr- und Personenlifte installiert. Hinzu kommt die entsprechende, von Systemair (www.systemair.com) entwickelte Steuerungstechnik einschließlich der notwendigen Frequenzumformer.
Die Frischluftansaugung der Ventilatoren erfolgt im EG über einen Betonschacht. Über einen weiteren Schacht, angebunden durch Stahlblechkanäle, wird der für den Überdruck im Brandfall notwendige Luftstrom auch auf die Etagen geleitet, mit Austritt über Gitter-Einblasöffnungen in jeder zweiten Ebene. Die Öffnung der Rauch-/Wärme-Abzugsanlage (RWA) auf dem Dachgeschoss ist mit einem Zeitglied ausgestattet und fest eingestellt. Dass dieses komplexe System einschließlich der in der Steuerung hinterlegten, unterschiedlich sten Brandszenarien wie geplant funktioniert – diesen Beweis traten die Spezialisten von Gruner Gruneko, Meier-Kopp und Systemair schließlich über entsprechende Messungen und Rauchtests an, und zwar dem Baufortschritt folgend sogar drei Mal. Das Fazit fiel dabei eindeutig aus: Das Schutzziel, die für eine Personenrettung ausgewiesenen Zugangswege im Wesentlichen rauchfrei zu halten und eine Ausbreitung des Rauches zu verhindern, wurde in vollem Umfang erreicht.
Deutlich wurde bei diesen Funktionstests allerdings auch, wie wichtig die möglichst frühzeitige Einbindung der für den technischen Brandschutz qualifizierten TGA-Spezialisten in die Planung eines Großobjektes ist: Ein in der obersten Geschossdecke ursprünglich so nicht vorgesehener Ausstieg beeinträchtigte die Funktion des in wenigen Metern Entfernung für die Abströmung notwendigen Dachventilators. Das Problem ließ sich über einen ergänzenden Aufbau am Ausstieg lösen. Ein vermeidbarer Mehraufwand, wie Reiner Kelch aus langjähriger Erfahrung weiß: „Selbst bei solchen Großobjekten fehlt bei manchen Architekten heute leider immer noch das Bewusstsein, dass ohne die passende Anlagentechnik die gesamte Bezugsfähigkeit des Gebäudes infrage gestellt sein kann. Viele der später nur noch aufwändig umzusetzenden Nachbesserungen aber ließen sich vermeiden, wenn schon – wie hier – in der Entwurfsphase mit integralem Planungsansatz alle entscheidenden Gewerke mit am Tisch säßen und ihre Expertise direkt in die Planung einfließen könnte.“