Lösungen für ein Bürogebäude der Klasse B2
Der Simulationsanbieter Cadfem baute einen neuen Firmensitz und wählte dabei Holz als tragendes Element, als Fassade und als Innenraumverkleidung. Dabei sollte die Architektur möglichst über mehrere Geschosse transparent und luftig sein. Welche Konsequenzen das für die Planung und den Brandschutz hatte, zeigt der Bericht.
Bild: Hoba
Der Werkstoff Holz erfährt derzeit nicht ohne Grund eine Renaissance, weil er über zahlreiche ökologische Vorteile verfügt. Er speichert Kohlendioxid, wächst als Baustoff nach, ist regional verfügbar und ermöglicht ein gesundes Raumklima. Infolgedessen ist es nicht verwunderlich, dass sich die Firma Cadfem hierfür entschied. Die Firmen, die sich unter der Gruppe vereinen, beschäftigen weltweit ca. 500 Mitarbeiter und gehören zu den größten Anbietern von Simulationslösungen.
Neuer Firmensitz
Bisher lag der Firmensitz des Unternehmens im Ortskern von Grafing bei München, doch das Gebäude bot nicht mehr genug Platz, weshalb ein neuer Standort geschaffen wurde. Mit dessen Konzeption beauftragte die Geschäftsführung das Münchner Planungsbüro Neuburger, Bohnert und Müller, (bundm* Architekten). Diese arbeiteten hierbei eng mit den Brandschutzplanern Kersken & Kirchner und dem Brandschutzspezialisten Hoba zusammen, mit dem sie schon bei vergangenen Projekten sehr gute Erfahrungen gemacht hatten. Hoba hat sich auf die Entwicklung und Herstellung von Feuerschutzabschlüssen und Brandschutzverglasungen spezialisiert, wobei das Unternehmen Kunden auch immer wieder bei entsprechenden Planungsfragen zur Seite steht.
Gebaute Unternehmensphilosophie
Die Aufgabe der Architekten bestand unter anderem darin, ein Gebäude zu entwerfen, das die Werte und Philosophie des Bauherrn spiegelt. Dem Unternehmen sind der aktive Austausch und familiäre Zusammenhalt unter den Mitarbeitern wichtig. Infolgedessen sollte es ausreichend Platz für Besprechungen, informelle Treffen, ungestörte Online-Sessions sowie Schulungsräume, ein Filmstudio für Erstellung von E-Learning-Inhalten, Räumlichkeiten für Fitness, Duschmöglichkeiten und Kinderbetreuung geben. Zentraler Treffpunkt und Veranstaltungsraum ist das Bistro im Erdgeschoss mit einer angebundenen Küche. Es wird zwar von mehr als 100 Personen genutzt, da diese aber fast ausschließlich dem Unternehmen angehören, handelt es sich nicht um eine Versammlungsstätte im Sinne der Versammlungsstättenverordnung. Deshalb waren diesbzgl. keine weiteren Brandschutzmaßnahmen erforderlich.
Holz prägendes Gestaltungselement
Auffällig ist die Formgebung des Objekts. Es handelt sich um einen achteckigen Baukörper, der durch seine Vor- und Rücksprünge mehrere Außenräume mit hoher Aufenthaltsqualität schafft. Die Fassade, alle tragenden Elemente oberhalb des Betonkellers sowie die komplette Innenraumgestaltung bestehen aus Fichte, die mit einer leicht pigmentierten Lasur versehen ist. Lediglich die Treppenhäuser im Verlauf des zweiten Rettungsweges und die Brandabschnittswand wurden aus Sichtbeton erstellt.
Das Objekt verfügt über zwei Atrien. Sie verbinden alle Stockwerke miteinander, wodurch geschossübergreifende (Teil) Nutzungseinheiten über 400 m² geschaffen werden, was sich auf den Brandschutz auswirkt.
Bild: Hoba
Folglich hat das Bürogebäude die Brandschutzklasse B2 (normal entflammbar). Es verfügt über drei Stockwerke, wobei im zweiten Obergeschoss die Höhe des Fußbodens über sieben Meter liegt. Daher entspricht es nach den technischen Baubestimmungen des Bundeslandes Bayern (BayTB) der Gebäudeklasse 3 und aufgrund des Bistros als Sonderbau. Dies bedeutet, dass alle tragenden Bauteile feuerhemmend auszuführen sind und mindestens 30 Minuten einer Brandbeanspruchung standhalten müssen.
Übergroße Feuerschutzabschlüsse
Aktuell arbeiten ca. 120 Personen in dem Neubau. Da die Belegschaft jedoch stetig wächst, ist er auf 180 Angestellte ausgelegt. Dabei kann der Bau in zwei Hälften geteilt und bei Bedarf untervermietet werden. Dementsprechend ist das Objekt an dieser Schnittstelle in zwei Brandabschnitte untergliedert. Um sie brandschutztechnisch voneinander zu trennen, wurden aus architektonischen Gründen entsprechende Türen mit einer Breite von 3,88 m und einer Höhe von 3,03 m geplant und eingebaut. Ursprünglich waren sie als T30-RS-Türen angedacht. Für jene gab es aber – vor allem wegen der großen Abmessungen – zum Planungszeitpunkt vom Hersteller keinen allgemeingültigen Nachweis. Aufgrund dessen wäre entsprechend Artikel 20 der Bayerischen Bauordnung eine Zustimmung im Einzelfall erforderlich gewesen – was einen hohen Zeitaufwand mit sich gebracht hätte. Hoba verfügt jedoch über eine Zulassung Bauartgenehmigung für eine hochfeuerhemmende T60-Tür, welche die gewünschten Abmessungen abdeckt. Aus diesem Grund entschieden sich die Planer in Abstimmung mit Hoba für diese T60-Türenkonstruktion, die darüber hinaus flächenbündig in Wandnischen eingebaut werden kann.
Um ein ansprechendes Erscheinungsbild zu gewährleisten und ein einheitliches Fugenbild zu erreichen, wurden diese Elemente derart in die Betonwand eingelassen, dass sie sowohl im geöffneten als auch im geschlossenen Zustand den Blockrahmen sowie die Bänder vollständig abdecken. Dank ihrer besonderen Montage ragen sie nicht in den Verbindungsgang und fallen so im Alltag fast nicht auf.
Von den Büroräumen aus haben die Mitarbeiter dank der Brandschutzverglasungen einen Blick ins Gebäudeinnere.
Bild: Hoba
Zwei Treppenhäuser, deren tragende Wände aus Beton bestehen, dienen als Hauptfluchtweg.
Bild: Hoba
Trennwände zum Atrium
Zur Philosophie von Cadfem gehört maximale Transparenz im Unternehmen. Dies spiegelt sich auch in der Architektur wider. Beide Gebäudehälften verfügen über je ein Atrium, das mithilfe von Oberlichtern das Gebäudeinnere erhellt. Von den Büros aus haben die Mitarbeiter dank der großen Glaselemente, die in die Wände integriert sind, einen freien Blick auf die Atrien. Da diese jedoch alle Stockwerke miteinander verbinden, werden geschossübergreifende (Teil) Nutzungseinheiten über 400 m² geschaffen, was sich in der Brandschutzplanung widerspiegeln muss. Infolgedessen bestehen die nichtragenden Trennwände zu den Atrien aus Brandschutzverglasungen mit eingebauten Brandschutzgläsern und Holzpaneelfeldern. Die Hoba-Türen sind ebenfalls feuerhemmend in T30/RS ausgebildet.
Der Anschluss der Feuerschutzabschlüsse an F30-klassifizierte Holzbauteile, auch mit geringen Rohdichten ab 430 kg/m³, war über die Zulassung der Brandschutzverglasung abgedeckt. Die Anschlüsse an Holzbauteile sind ebenfalls ein Schwerpunkt von Hoba. Zu diesem Zweck wurden eigens mehrere Brandversuche an Bauteilen aus Holz unbekleidet F30 durchgeführt und in die Zulassungen aufgenommen.
Fluchtwege
Die Brandschutztür, die die beiden Gebäudehälften trennt, wurde so in die Betonwand eingelassen, dass sie sowohl im geöffneten als auch im geschlossenen Zustand den Blockrahmen abdeckt.
Bild: Hoba
Eines der beiden Atrien verfügt über eine Treppe, die alle Stockwerke miteinander verbindet und den ersten Rettungsweg darstellt. Jeder Gebäudeteil ist zusätzlich mit einem eigenen Treppenhaus für den zweiten Rettungsweg ausgestattet, dessen tragende Wände aus Beton bestehen. Die Treppen liegen an der Außenseite des Baus und bieten somit einen schnellen und sicheren Weg ins Freie. Die Führung der Fluchtwege wurde abweichend zu Artikel 63 Abs. 1 BayBO nicht über notwendige Flure geführt, sondern durch Bypass-Türen innerhalb der Büroräume. Auch diese Elemente wurden von Hoba hergestellt, wobei hier ein besonderes Augenmerk auf den Schallschutz sowie eine durchgängige Gestaltung gelegt wurde. Um die Treppenhäuser vor Feuerüberschlag und Raucheinwirkung zu schützen, wurden sie vom restlichen Gebäude mithilfe von Brandschutztüren T30/RS abgetrennt. Außerdem sind alle oberirdischen Geschosse flächendeckend brandmeldeüberwacht.
Gute Zusammenarbeit
Im Dezember 2020 begannen die Arbeiten zu dem ungewöhnlichen Gebäude. Schon am 1. April 2022 wurde das Objekt offiziell eingeweiht. Glücklicherweise verlief der Bauablauf trotz der coronabedingten Einschränkungen weitestgehend problemlos. Der für dieses Projekt hauptverantwortliche Architekt Jan Bohnert führt dies auf die gute Zusammenarbeit aller Gewerke zurück.