Schadenfälle verringern, Versicherungsprämien reduzieren

Schutzkonzepte von Industriegebäuden

Die Einbeziehung des Sachversicherers bereits bei der Planung von Neubauten und Großprojekten kann die Eintrittswahrscheinlichkeit von späteren Schadenfällen deutlich verringern und Prämien in der Sach-/Betriebsunterbrechungs-­Versicherung reduzieren.

Aufgrund einer begrenzten Zahl geeigneter und zeitlich disponibler Bauunternehmen für Großprojekte sowie wirtschaftlicher Gesichtspunkte ist oft der Faktor Zeit bei der Planung und Konstruktion ein wichtiger Aspekt. Daher sind bzw. werden sie immer öfter von Investoren erstellt. Das hat zwar viele Vorteile, kann aber bei der späteren Nutzung versicherungstechnisch problematisch werden. Zudem ist der Brandschutz und insbesondere der Sachschutz in der Ausbildung von Architekten und Ingenieuren eher ein Randthema.

Neben den Landesbauordnungen werden Objekte ab bestimmter Größe/Nutzung ggf. durch Gutachten nach Industriebaurichtlinie sowie anderen Richtlinien oder Sonderbauvorschriften beurteilt. Die Hauptaspekte des gesetzlichen Genehmigungsverfahrens (Personenschutz, gute Rettungs- und Brandbekämpfungsmöglichkeiten) stehen dabei immer an erster Stelle.

Projekte versicherungstechnisch im Voraus beurteilen und bewerten

Auch Industrie-Sachversicherer bieten im Rahmen des Sachversicherungsvertrags den Service, große Bauvorhaben, Neubauprojekte sowie Sonderbauten und besondere Nutzungen (z.B. Hochregallager, Galvanik, Lackieranlage, Rechenzentrum) aus versicherungstechnischer Sicht schon im Planungsstadium zu beurteilen und zu bewerten. Der Fokus liegt dabei auf der späteren Nutzung und Versicherbarkeit. Dies beruht auf speziellen Kenntnissen der unterschiedlichen Industriebranchen sowie Schadenerfahrungen.

Neben der jeweiligen Betriebsart und individuellen Nutzung geht es z.B. um

die Wahl der Baustoffe und Bauteile,

räumliche oder bauliche Trennung durch Brand- / Komplextrennwände zur Bildung von Komplexen* und Aufteilung großer Industriegrundstücke im Hinblick auf Risikominimierung und angepasste Prämienkalkulation. Ziele sind auch die Minimierung des möglichen/maximalen Höchstschadens (MFL**) und Rückversicherungsaspekte,

ein adäquates Schutzkonzept, z.B. eine Sprinkleranlage, wobei manchmal auch automatische Brandmelder mit schneller Intervention eine akzeptable Alternative sein können,

die Sichtung und Bewertung von Angeboten und Installationsplänen,

eventuell zu berücksichtigende Sondereinflüsse, z.B. PhotovoltaikAnlagen.

Grundsätzlich sollen konstruktiv nur nichtbrennbare Baustoffe und Materialien verwendet werden. Bei der Einstufung in die versicherungstechnischen Bauartklassen ergeben sich dann Vorteile in der Risikobewertung und geringere Prämiensätze.

Komplextrennwände sind im Wesentlichen gekennzeichnet durch die dreistündige Feuerwiderstandsdauer. Daneben gibt es weitere Anforderungen zu Überdachführung, Winkelbeeinflussung etc. (s. VdS 2234, Brand- und Komplextrennwände; Merkblatt für die Anordnung u. Ausführung).

Anmerkung: Anforderungen an Brandwände nach den Richtlinien der Sachversicherer sind gegenüber behördlichen Anforderungen im Sinne des Sachschutzes durch eine mindestens 30-50 cm Überdachführung höher definiert.

Praxisbeispiel: Bei der Errichtung einer Produktionshalle konnte eine Außenwand bereits als Komplextrennwand errichtet werden. Dies führte beim späteren Anbau einer Lagerhalle zu einer klaren baulichen Trennung und Vorteilen in der Prämienkalkulation!

Schutzkonzepte

Beim Schutz wird neben der Diskussion möglicher und individueller Schutzkonzepte auch die Konformität mit den gültigen Richtlinien sichergestellt. Wenn es bei globalen Versicherungspolicen auch immer schwieriger und nahezu unmöglich ist, Vorteile hinsichtlich einer geringeren Versicherungsprämie oder einer Amortisierung der installierten Schutzmaßnahmen direkt darzustellen, so sind deren positive Auswirkungen, zumindest mittel- und langfristig, unbestritten.

Zudem werden bei Beratungen Naturgefahren und Betriebsunterbrechungsrisiken berücksichtigt. Sie werden, gerade im industriellen Bereich, immer wichtiger.

Im Jahr 2018 rangierten die Schadenaufwendungen für Betriebsunterbrechungsschäden vor denen für Natur­ereignisse und den reinen Sachschäden.

Risiko verringern

Bei der Berücksichtigung der Empfehlungen der Sachversicherer verringert sich das Risiko. Versicherungstechnisch ist es definiert als Produkt aus möglicher Schadeneintrittswahrscheinlichkeit und möglicher Schadenhöhe. Zumindest die mögliche Schadenhöhe kann durch die Umsetzung von Empfehlungen des Sachversicherers erheblich reduziert werden. Kooperative und konstruktive Neubauberatungen im Team sowie Entscheidungen im Einzelfall sind die Basis hierfür.

Zusammenfassung

Fehler aus versicherungstechnischer Sicht in der Planung und Ausführung von Industriebauten/Großprojekten können die in der Verwendung brennbarer Baustoffe und Bauteile, fehlende oder unzureichende Trennungen sowie nicht adäquate Schutzkonzepte sein. Sie sind nachträglich kaum oder nur unter hohem Aufwand zu korrigieren. Die Folgen sind schlechtere Risikobewertungen und höhere Prämien in der Sach-/Betriebs­unterbrechungs-Versicherung. In Ausnahmefällen kann sogar die Versicherbarkeit in Frage stehen. Dies kann durch die frühe Einbeziehung der Risikoingenieure des Sachversicherers vermieden werden.

* ein Komplex wird von einem oder mehreren Gebäuden, Gebäudeabschnitten oder Lägern im Freien gebildet, die untereinander keine, zu anderen Gebäuden, Gebäudeabschnitten oder Lägern eine räumliche oder bauliche Trennung aufweisen (VdS 2234)

** Das Maximum Foreseeable Loss (MFL; maximal vorhersehbarer Schaden) ist definiert als der größtmögliche Schaden, der auf ein einmaliges Feuer- oder Explosionsereignis unter Berücksichtigung von kombinierten ungünstigsten Umständen zurückzuführen ist. Als Konsequenz daraus ist davon auszugehen, dass das Feuer nicht bekämpft wird und letztendlich nur durch ein unpassierbares / unüberwindliches Hindernis oder mangels Brandlast gestoppt wird.

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