Umsetzung von „nicht wesentlichen Abweichungen“
Nicht immer können in der Praxis Abschottungen, genau wie es der jeweilige Verwendbarkeitsnachweis fordert, vorgenommen werden. Daher gibt es das Instrument der „nicht wesentlichen Abweichung“, um in Grenzfällen eine rechtskonforme Ausführung zu ermöglichen. Leider ist die Anwendung nicht immer ganz einfach.
Anforderung gem. Anhang der 4 M-VV TB
Ein solcher Verwendbarkeitsnachweis wurde bisher durch das Deutsche Institut für Bautechnik (DIBt) in Form einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung erteilt. Nach Anpassung des Bauproduktenrechts an das europäische Recht wird dieses Dokument zukünftig als allgemeine Bauartgenehmigung (aBG) bezeichnet. Für Produkte, die nach einem allgemein anerkannten Prüfverfahren beurteilt werden können, sind allgemeine bauaufsichtliche Prüfzeugnisse (abP), ausgestellt durch eine Materialprüfanstalt (MPA), notwendig (§ 19 MBO).
Wird z.B. eine Brandschutzmanschette um ein Rohr montiert, so wird eine Bauart i.S.d. § 2 Abs. 11 MBO erstellt. Die Bauart ist in diesem Fall die Brandschutzabschottung einer Leitungsanlage. Sie wird aus verschiedenen Bauprodukten, z.B. Wand, Rohr, Brandschutzmanschette, Befestigungen, Isolierung, hergestellt. Derjenige, der diese Bauart im Bauwerk herstellt, muss die Übereinstimmung mit den technischen Baubestimmungen und insbesondere den Verwendbarkeitsnachweisen bestätigen und die Bauart mittels Beschilderung kennzeichnen.
In den Mustern der Übereinstimmungsbestätigungen, die sich in den Verwendbarkeitsnachweisen bzw. Einbauanleitungen finden, steht der folgende Satz:
„Hiermit wird bestätigt, dass die Rohrabschottung […] hinsichtlich aller Einzelheiten fachgerecht und unter Einhaltung aller Bestimmungen der allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung […] eingebaut [..] wurde.“
Nun ist es nicht immer möglich, sämtliche Vorgaben zu 100 % einzuhalten. Dies wohl wissend, haben die Verfasser der Musterbauordnung klargestellt, dass „als Übereinstimmung […] auch eine Abweichung, die nicht wesentlich ist“, gilt (§ 16a Abs. 5 MBO). Ein Satz, der die tägliche Baupraxis ermöglicht, aber gleichzeitig inhaltlich schwer zu greifen ist.
Das Verfahren
Die Übereinstimmung ist immer durch den Anwender der Bauart, also denjenigen, der z.B. die Brandschutzmanschette montiert, zu erklären (§ 16a Abs. 5 MBO). In Unternehmen muss dieser nicht zwingend der einzelne Monteur sein, sondern es kann sich aus betrieblichen Regelungen ergeben, dass dieses Dokument durch Führungskräfte unterzeichnet wird.
Auch im Falle einer sog. nicht wesentlichen Abweichung muss die Übereinstimmungsbestätigung durch den Anwender erfolgen, wie sich aus dem Verweis auf § 21 Abs. 2 MBO ergibt. Dies bedeutet, diese Erklärungen können nicht durch die Hersteller der Abschottungssysteme, Sachverständige oder sonstige Dritte abgegeben werden.
Grundsätzlich können aber Hersteller von Abschottungssystemen und – bei besonderem Fachwissen im Bereich der jeweils betroffenen Bauprodukte – Sachverständige den Verwender der Bauart mit technischen Stellungnahmen unterstützen, die dieser als Beleg zu seinen Akten nimmt.
Sollte die Abweichung doch wesentlich sein, so bleibt nur der Weg über eine „Zustimmung im Einzelfall“ (ZiE) gem. § 20 MBO, die für das konkrete Bauvorhaben gilt. Für die Erteilung einer solchen ZiE ist immer die für den Bauort zuständige oberste Bauaufsicht zuständig. Im besten Fall wird eine solche ZiE erteilt und es kostet nur Zeit und Geld. In vielen Fällen wird die Erteilung aber verweigert, da es zulässige Lösungen gibt und diese vorrangig anzuwenden sind. Daher ist es immer sinnvoll, möglichst frühzeitig mit der obersten Bauaufsicht zu sprechen, ob eine entsprechende Zustimmung erteilt wird. Für die typischen Problemfälle und insbesondere kurz vor Abnahme der Abschottung ist der Versuch, eine ZiE zu erwirken, praktisch unmöglich.
Im Verfahren zur Erteilung einer ZiE können Bauprodukthersteller und Sachverständige durch technische Stellungnahmen die Arbeit der zuständigen Behörde unterstützen, aber diese bleibt Herrin des Verfahrens und kann z.B. ergänzende Versuche etc. verlangen.
Wann ist eine Abweichung nicht wesentlich?
Der Begriff der nicht Wesentlichkeit ist nicht eindeutig definiert und nur schwer zu fassen. Anhand der nachfolgenden drei Fragen ist eine systematische Annäherung an den Einzelfall möglich:
1. Ist es keine gänzlich vom Verwendbarkeitsnachweis abweichende Verwendung?
Wird ein Bauprodukt in einer Bauart in völlig anderer Art und Weise eingesetzt, als im Verwendbarkeitsnachweis beschrieben, so handelt es sich nicht um eine n.w.A. Ein solcher Fall kann beispielsweise vorliegen, wenn eine Brandschutzmanschette statt für ein brennbares Rohr für ein nichtbrennbares Rohr oder zur Abschottung von Lüftungsleitungen verwendet werden soll.
Durch die Andersartigkeit der Verwendung ist grundsätzlich, unter Hinzuziehung der Hersteller der enthaltenen Bauprodukte, umfassend zu prüfen, ob in der konkreten Anwendung das Produkt überhaupt wie vorgesehen funktionieren kann. Auf Basis einer solchen Begutachtung und ggf. weiterer Untersuchungen wäre möglicherweise die Erteilung einer ZiE möglich. Im Regelfall ist davon aber nicht auszugehen.
2. Ist die Funktionssicherheit für die notwendige Dauer sichergestellt?
Weiterhin ist auf Basis einer Einschätzung der Bauprodukthersteller und ggf. weiterer spezieller Sachverständiger zu prüfen, ob der Feuerwiderstand für die geforderte Dauer sichergestellt ist. Bestehen hieran Zweifel, so muss entweder die Bauart konstruktiv verbessert oder der notwendige Feuerwiderstand durch andere Maßnahmen (sog. Kompensationen) reduziert werden.
Hinsichtlich der Optimierung der Bauart können die Bauproduktehersteller im Regelfall unterstützen. Bezüglich der Anpassung der Feuerwiderstandsdauer ist der Brandschutzplaner bzw. -sachverständige hinzu zu ziehen, der das Objekt betreut. Es sei hier aber angemerkt, dass ein solches Vorgehen mit erheblichem Aufwand verbunden ist.
Für den Fall, dass der Bauproduktehersteller über keine relevanten Prüferfahrungen oder anderweitige Erfahrungen bezüglich der konkreten Situation verfügt, wird er hierzu keine positive Aussage tätigen können.
3. Ist die Lösung zulassungsfähig?
Abschließend muss die Bauart überhaupt zulassungsfähig sein, um als nicht wesentliche Abweichung gelten zu können. Ist die Genehmigungsfähigkeit nicht gegeben, weil z.B. im großen Rahmen leicht entflammbare Baustoffe verwendet werden, so kann der Hersteller der Bauart sich nicht einfach über diese Einschränkungen hinwegsetzen.
Bezüglich der einzelnen eingesetzten Bauprodukte können deren Hersteller hierzu Aussagen machen und den Anwender der Bauart unterstützen.
Bestätigung der n.w.A.
Für die Bestätigung der nicht wesentlichen Abweichung gibt es keine ausdrücklichen Formvorschriften, die über die Anforderung der Verwendbarkeitsnachweise hinausgeht. In diesen wird gefordert, dass die Bestätigung schriftlich gegenüber der Bauherrschaft zu erfolgen hat. Die beigefügten Musterformulare stellen einen Vorschlag dar, der den typischen Inhalt beschreibt.
Wichtig ist nur, nicht zu bestätigen, dass alle Bestimmungen des Verwendbarkeitsnachweises eingehalten wurden, sondern darauf hinzuweisen, dass eine nicht wesentliche Abweichung vorliegt. Ein möglicher Textbaustein könnte wie folgt lauten:
„Die Rohrabschottung wurde fachgerecht und gemäß der bauaufsichtlichen Zulassung eingebaut. Es wurde bzgl. … in Rücksprache mit dem Hersteller des Brandschutzsystems nicht wesentlich abgewichen.“
Auf Verlangen der Bauüberwachung bzw. Bauherrschaft kann eine schriftliche Bestätigung über die Abstimmung beigefügt werden.
Abschließend bleibt darauf hinzuweisen, dass derjenige, der eine nicht wesentliche Abweichung bestätigt bzw. hierzu Stellung nimmt, für diese Aussage haftet. Daher ist es grundsätzlich anzustreben, möglichst zulassungskonform zu bauen.