Brandverhalten von Bauprodukten
Im täglichen Sprachgebrauch von Planern, Herstellern und Gutachtern sind die Begrifflichkeiten wie „nicht brennbar“ oder „schwer entflammbar“ in Bezug auf Bauprodukte längst zur Routine geworden. Was sich tatsächlich dahinter verbirgt, ist den wenigsten aber wirklich klar.
In Deutschland wird das Brandrisiko in Gebäuden über die jeweiligen LBO in Verbindung mit einer Vielzahl weiterer Verordnungen, Richtlinien usw. geregelt. Die Bauaufsicht hat dazu die möglichen bauaufsichtlichen Anforderungen an die jeweiligen Bauprodukte benannt: Nichtbrennbar, schwer entflammbar, normal entflammbar und leicht entflammbar. Die Anforderung nichtbrenn- bar simuliert den Fall, dass das Bauprodukt keinen bzw. keinen wesentlichen eigenen Beitrag zu einem Brand liefert. Diese Produkte werden bevorzugt in Flucht- und Rettungswegen sowie in Bereichen mit erhöhter Brand- oder Explosionsgefahr eingesetzt. Die Anforderungen beziehen sich ausschließlich auf die Phase der Zündung und des darauffolgenden Entstehungsbrandes. Der Vollbrand ist nicht Gegenstand der Risikobetrachtung für die frühen Brandphasen. Die wichtigste Frage ist, ob ein Bauprodukt mit einer geringen Zündenergie (z.B. per Zündholz) während eines sehr kurzen Einwirkungszeitraumes einfach entzündbar (leicht entflammbar) ist. Dabei gibt es nach dem DIN-Modell die Einwirkzeit von 20 Sek. und nach europäischer Regel von 15 bzw. 30 Sek. Falls das Bauprodukt die Prüfung nicht besteht und somit als leicht entzündbar eingestuft wird, darf es in Deutschland nicht in Gebäuden eingebaut werden. Im Fall einer bestandenen Prüfung gilt das Bauprodukt als normal entflammbar und darf in bestimmten Bereichen verbaut werden. Trotzdem ist es, wie der Name sagt, ein normal entflammbares Bauprodukt, welches über keine erhöhten Brandschutzeigenschaften verfügt. Im Falle des Erreichens der Qualität schwer entflammbar ist das entsprechende Bauprodukt zwar brennbar, wird aber zu Beginn eines Brandes eher zögerlich mitbrennen. Die Prüfung umfasst 10 Minuten Brandbelastung. Die Brandausbreitung ist zu diesem Zeitpunkt gering und die Freisetzung von Wärme und Rauch begrenzt. Zum Zeitpunkt des Vollbrandes wird sich das Brandverhalten eines schwer entflammbaren Bauprodukts eher marginal von dem eines normal entflammbaren Bauprodukts unterscheiden.
Einstufung bzw. Klassifizierung
Die Zuordnung eines Bauproduktes zu den o.g. bauaufsichtlichen Anforderungen erfolgt über vorangegangene Brandprüfungen. Mittels repräsentativer Simulationsversuche werden bestimmte Parameter erreicht, die dann eine Einstufung oder auch Klassifizierung in bestimmte Brandklassen erlaubt. Momentan gibt es sowohl deutsche DIN-geregelte Brandprüfungen und Klassifizierungen als auch europäisch in EN geregelte Tests und Einstufungen. Welches Verfahren anwendbar ist, hängt meist von dem zu bewertenden Produkt ab. Es gibt Produkte, die nur noch europäisch geregelt sind. Andere sind derzeit noch ausschließlich national eingeordnet. Und es gibt sogar welche mit einer Wahlmöglichkeit zwischen DIN und EN. Die Zuordnungen verändern sich insofern, als dass die Zahl der ausschließlich europäisch zu klassifizierenden Bauprodukte zunimmt. Es empfiehlt sich daher für einen Anwender, der nicht in der Lage ist, permanent diese Entwicklung zu beobachten, an Stelle von noch häufig zu hörenden B1-Klassifizierung nach DIN 4102 Teil 1 oder einer neuen Euroklasse wie z.B. C-s1do nach DIN EN 13501 Teil 1 lieber ausschließlich die deutschen bauaufsichtlichen Anforderungen zu verwenden. Diese bleiben auch weiterhin gültig und sind in der neuen MBO und der MVV TB entsprechend zu finden.
Klassifizierungsdokumente
Gerade beim Einbau von Bauprodukten bedarf es wegen der Vielzahl von unterschiedlichen Regelungen, Nachweisen und Dokumenten besonderer Aufmerksamkeit. Die zum Nachweis des Brandverhaltens von Bauprodukten ausgestellten Dokumente enthalten i.d.R. nur die im Dokument beschriebenen Einbauvarianten und Details, die über das klassifizierte Brandverhalten verfügen. Die nicht enthaltenen Varianten können entweder nicht geprüft, oder aber mit negativem Ergebnis geprüft sein. Bspw. bei Fußbodenbelägen: In den Klassifizierungsdokumenten gibt es verschiedene Versionen. Ist eine Verklebung ohne Einschränkung zulässig darf jeder geeignete Kleber zum Einsatz kommen. Sind bestimmte Kleberfamilien vorgegeben darf herstellerunabhängig jeder Kleber verwendet werden, der einer dieser Kleberfamilien zuzuordnen ist. Sind im Dokument nur ein oder mehrere Kleber explizit aufgelistet, besteht keinerlei Wahlmöglichkeit. Wird nicht der vorgeschriebene Kleber verwendet gilt das klassifizierte Brandverhalten nicht mehr – es droht der Rückbau. Die projektbezogene nachträgliche Brandprüfung bei einer Brandprüfstelle ist möglich, birgt aber ein großes Risiko. Außerdem wird danach meist noch eine projektbezogene Anwendungsgenehmigung in Form der Zustimmung im Einzelfall bzw. der Nachweis der Verwendbarkeit im Einzelfall erforderlich. Weitere häufige Fehler bei Bauprodukten sind die Verwendung nicht in der Klassifizierung enthaltener Untergründe, z.B. anderer Dämmstoffe. Das Brandrisiko von Bauprodukten kann aber auch nachträglich verändert werden. In nahezu allen Dokumenten findet man den Hinweis, dass nachträglich aufgebrachte Beschichtungen o.ä. das Brandverhalten beeinflussen können. Insofern kann u.U. bereits ein Farbanstrich ein Bauprodukt aus der Nichtbrennbarkeit in die Brennbarkeit verschieben. Geschieht das in einem Rettungsweg sind im Brandfall unvorhersehbare Folgen denk- bar. Ähnlich ist es bei Sonnenschutzanlagen. Bei textilen Vorhängen wird die Verbesserung des Brandverhaltens oft durch eine Imprägnierung mit Flammschutzmitteln erreicht, die aber nicht wasserlöslich sein sollte. Nur wenn im zugehörigen Klassifizierungsdokument das Waschen bzw. chemische Reinigen erlaubt ist, kann das ohne Beeinträchtigung des Brandverhaltens getan werden. Ansonsten muss der Sonnenschutz bei Verschmutzung ersetzt werden.